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Im Spiegel der Presse:
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Einführungsvortrag
zur Ausstellungseröffnung Ingrid Redlich–Pfund
„Auenlandschaften
– Farbräume“ Malerei-Grafik-Objekte
von
Christine Helmerich im AmperVerband Eichenau am 10. März 2015
Ingrid Redlich–Pfund ist in der Steiermark geboren und lebt jetzt mit ihrer Familie im
Landkreis FFB, in Eichenau.
Sie studierte Malerei und Grafik in Essen, an der Folkwang Akademie der Künste,
außerdem an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier.
1989 erhielt sie den Kunstpreis
des Landkreises FFB
Aus der Rede, die Reinhard
Fritz zur Eröffnung der Ausstellung von Ingrid
Redlich-Pfund im Üblacker-Häusl in München hielt, möchte ich ein paar Sätze
zur Malerfamilie Redlich übernehmen.
Ingrid Redlich-Pfund entstammt einer Malerfamilie. Die Malerfamilie geht auf Carl Friedrich
von Redlich zurück, der 1823 in Bayreuth geboren wurde.
Aus einer Veröffentlichung des „Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum“, in der
alle Künstlerpersönlichkeiten dieser Familie über mehrere Generationen
ausführlich beschrieben werden und die auf Seite 75 mit der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund enden, entnehme
ich folgenden interessanten Satz:
„Warum entfloh Carl Friedrich
von Redlich aus der milden lieblichen Landschaft seiner oberfränkischen Heimat
und aus seiner biedermeierlichen Geburtsstadt Bayreuth in die vergleichsweise
wilde Gebirgslandschaft des Karwendels und des Ötztals?“
Wie sie vielleicht wissen, ging es zeitgeschichtlich um die Sympathie vieler
Bayern für die Unterstützung der Tiroler im Freiheitskampf u.a. gegen
Garibaldi, dem sich nicht wenige, so auch Carl Friedrich von Redlich,
anschlossen.
Ende des Zitats
Diese Vorgeschichte erklärt vielleicht auch Ingrid Redlich-Pfunds künstlerisches Anliegen, welches immer ein
politisches war und ist.
In den 1990 er Jahren
entstehen folgende Arbeiten:
1992 die Rauminstallation: „Fremd unter Deutscher
Flagge“
1993 „Energieraum“, ebenso die
Arbeit „Wasserfluss im Flusswasser“, auf die ich später
näher eingehen werde.
1994 die Serie „Biotop 1 bis 6“
Zahlreiche Installationen
beschäftigen sich seit Jahren mit wichtigen Geo-politischen Themen.
Der Kampf um die Verwirklichung der angestrebten Ziele diverser
Weltwirtschaftsgipfel lässt ihr keine Ruhe.
Unter den in den letzten Jahren geschaffenen Installationen seien einige
aufgezählt:
2011 Weltwirtschafts-Gipfel: Ausverkauf Erde.
2012 Wasser: Wem gehört das Wasser?
Ebenso
2012 Schlachtfeld Gewinnmaximierung: Ausverkauf Erde
2014 Landraub für Biosprit
Diese Arbeit wurde von der
Stadt FFB angekauft.
Und immer wieder das
elementare Thema Wasser. Schon in den 1990 er Jahren greift sie dieses Thema
verstärkt auf.
Diese große Installation mit
dem Titel: Wasserfluss im Flusswasser
1992
1. Preis der Ausschreibung
„Kunst am Bau“ des Abwasser – Verbandes Amper Gruppe
Die Rauminstallation von 6
Messingplatten in 1993 entstanden, die ebenfalls den Titel WASSERFLUSS IM
FLUSSWASSER trägt, ist eine Erweiterung der Installation aus 1992 und wird hier
und heute zum ersten Mal ausgestellt.
1.OG Zentrum
Die Messingplatten stellen
einen lyrischen Text dar, sind ein beredtes Zeichen dafür.
Der Text:
WASSERFLUSS IM FLUSSWASSER
WASSER IM WASSERFLUSSFLUSSWASSER
FLUSS IM WASSERFLUSS FLUSSWASSER IM FLUSS
WASSER IM FLUSSWASSERFLUSS
FLUSS IM WASSERFLUSSWASSER
FLUSS FLUSS FLUSS IM WASSER IM FLUSSWASSER
Die Messingplatten wurden
später als Gussformen für Betongüsse verwendet. Diese wurden 1993 in der
Kulturhalle in Ingolstadt unter dem Titel:
„Energie Objekte – Objekte Energie“, ausgestellt.
Weiß in der Serie „Auenlandschaft“
Die Farbe „Weiß“ beschäftigt Ingrid Redlich-Pfund seit 3 Jahrzehnten. Sie zieht sich praktisch
wie ein „roter Faden“ durch ihre künstlerische Arbeit. Die stete Beunruhigung,
die der Umgang mit dieser Farbe, viele meinen einer Nichtfarbe, mit sich
bringt, kann nur jener verstehen, der mit der Subtilität dieser Farbe vertraut
ist. Diese Farbe, die wie keine andere das Licht einfängt und Schatten sichtbar
macht, die Farbe, die alle anderen begleitenden Farben und seien es noch so
zarte, zum Leuchten bringt. Diese Farbe, die beim Beschauer alle Assoziationen
zulässt, und trotzdem dem Maler nur Annäherung erlaubt, ist wie geschaffen für
die Darstellung der hier zu sehenden Auenlandschaften.
In den Bildern „Auenlandschaft im Zeitraffer“ II bis VIII, entstanden
zwischen 2013 und 2014, 1.OG Zentrum und im Empfang, 1. OG, Druckerzentrum,
Drucker und Fax 2. OG und Sitzgruppe 2. OG wird der Umgang mit dem Weiß zur zwingenden
Notwendigkeit, bietet es der Künstlerin die Möglichkeit, eine suggestive Auensituation
entstehen zu lassen. Feine, unter dem weiß liegende Farbnuancen führen den
Betrachter in Phantasieräume, lässt Wasser, Schilf und Seebilder entstehen.
Die Auenlandschaft als
hochsensibler Landschaftsbereich wurde in den Nachkriegsjahren an den großen
Flüssen, siehe Donau, fast ausgelöscht.
Obwohl das Wissen über die
reiche Vielfalt der Flora und Fauna vorhanden war, verschwanden riesige Flächen
durch radikale Eingriffe, um Wasserkraftwerke zu bauen, bessere Befahrung mit
immer größeren Schiffen zu gewährleisten und die Uferregionen effektiver
bewirtschaften zu können.
Jetzt führt man vielerorts die Auen wieder in ihren natürlichen Zustand zurück,
auch um sinnvolleren Hochwasserschutz einzurichten.
In den 2 Arbeiten, „Die Entdeckung des Himmels l und ll von
2013, 1.OG links
werden in den
Auenlandschaften menschliche Figuren sichtbar. Figuren, die sich aufzulösen
scheinen, schwebend im Bildraum, der Stille lauschend und dennoch mit dem Hier
und Jetzt verbunden.
Quanten und Lichte Himmel von 2010, 2. OG rechts
Eine Arbeit, die vor Jahren
begonnen und dann 2010 fertiggestellt wurde.
In der klassischen Mischtechnik, Tempera in nasser Harzölfarbe, aus dunklem
Grund heraus entwickelt mit vielen Lasuren (die Technik, in der Tizian
arbeitete) tastete sich die Künstlerin
an die jetzige Farbgebung heran. In dieser Zeit setzte sie sich intensiv mit
der Quantenoptik auseinander.
Keimende Landschaft l bis V von 2010, 2. OG rechts
5 Bilder, die in feinen
Farbabstufungen das Keimen in der Landschaft darstellen.
Farbfläche um Farbfläche geschichtet, Tempera und Primamalerei in Öl, bis sich
schließlich ein geschlossenes Bildgefüge ergibt.
Begegnung im Schilf lll bis lX von 2013, 1. OG links und 2. OG rechts
Mit den Blindprägedrucken
zeigt Ingrid Redlich-Pfund in
überzeugender Weise, welchen Spielraum das Bearbeiten eines weißen Papieres, in
diesem Fall handgeschöpfte Büttenpapiere, ermöglicht. Das Blatt, in manueller
Weise, also ohne Druckerpresse gedruckt, lebt durch den Lichteinfall, dem Spiel
mit Licht und Schatten. Die Motive erinnern an kalligraphische Zeichen, dieser
Eindruck wird unterstützt durch den entstehenden Schatten. Durch die
Abwesenheit der Farbe, ruht die ganze Konzentration auf der Form, zugleich
vermittelt uns die Oberfläche des Papiers eine große Sinnlichkeit.
Die Papierreliefs wurden auf Leinwand aufgenäht. Ausgehend von einem dunklen
Malgrund, wurde unter langwieriger Bearbeitung mit Lasur, bis zu 30 Lasuren,
die jetzt zu sehende Farbigkeit erarbeitet.
Gelb
Wir kennen sie alle, diese
magischen tiefgelben Rapsfelder. Wen faszinieren sie nicht. Ingrid Redlich-Pfund regen sie Jahr für
Jahr zu intensiven Bildern an. Als Farbe dem Weiß am Nächsten, nimmt auch das
Gelb in ihrem Oeuvre einen großen Raum ein.
In ihren großformatigen Monotypien auf Papier und Leinwand aus 2014, die Ingrid Redlich-Pfund als hervorragende
Zeichnerin und Grafikerin zeigen und auch in ihren Malereien und Objekten aus
2014/2015, Landschaft Senkrecht Gelb, 1. OG rechts,
Landschaft Senkrecht Gelb/Rot, Gelb/Orange, 2. OG
links
ist es die Farbe Gelb, die
als vorherrschendes Ausdrucksmittel benützt wird. Später kommt die Farbe Rot dazu.
Die Darstellung der Landschaft
reduziert sich weiter, wir erkennen horizontale und vertikale Linien,
herbeigeführt durch „Einschnürungen“.
Die Schnüre sind aus nachwachsendem Material gefertigt, aus Bananenstauden und
Mais, bevorzugte Pflanzen zur Gewinnung von Biosprit.
Die Einschnürungen und die leuchtend gelben Farbräume stehen für die gewaltsame Vereinnahmung riesiger Ackerflächen
durch Lobbyisten und Spekulanten der Ölkonzerne, zum Zweck des Anbaus schnell
wachsender Rohstoffe für die Erzeugung
von Biosprit.
Gelb und Rot... nicht
zufällig gewählt, diese 2 Farben deuten zum einen auf die, von der Gluthitze
ausgedörrten Böden, als auch zum anderen, auf 2 große Mineralölkonzerne hin.
Bildsäule: Begegnung im Schilf von 2014, 1. OG rechts,
vor der großen Monotypie Öl auf Leinwand (140/105)
Wie schon in der barocken
Landschafts- Darstellung, leitet die Bildsäule unseren Blick in die Landschaft
hinein um dann den Blick in die Ferne zu führen.
Der Betrachter wird zudem gezwungen, sich zu bewegen, sich den Gesamteindruck
zu erlaufen. Anfang und Ende zu erkunden. Er wird gezwungen weiter und weiter
zu gehen.
Vegetative Formen tauchen auf, Wasser wird assoziiert, eine südliche Landschaft
vielleicht?
Acker-Land-Leben, I und II, Bildobjekte von 2014, 1.
OG Zentrum
Acryl auf Leinwand und
Maisschnur
Diese Arbeiten entstanden
anlässlich der Ausschreibung der Solidargemeinschaft: Brucker Land e. V. Thema: Brot & Land - Gestern – Heute – Morgen
zum 20 jährigen Jubiläum mit
Ausstellung im Landratsamt FFB.
Auf diesen Bildobjekten
gleitet das kräftige Gelb und Rot der schon besprochenen Landschaftsbilder, in
frisches Frühlingsgrün hinüber. Wachsen, grünen, das Aufgehen der Saaten,
frisches Wasser, jährlicher Zyklus der Natur.
Natur und Landschaft, in der
Menschen leben, abzubilden und in idealer Form vor Augen zu führen, war schon
immer, zu beinahe allen Zeiten und Kulturen, ein Anliegen vieler Künstler.
Landschaften repräsentieren das „Natürliche“- oder das, was wir als „natürlich“
erachten.
Im China des 4. bis 6.
Jahrhunderts hatte die Landschaftsmalerei einen höheren Stellenwert als die
Plastik. Schon damals wurde aber ein Grundzug der Landschaftsmalerei deutlich:
Kein Maler bildet wirklich nur das ab was er sieht, was alle Welt sieht. Also
ein realistisches Abbild...nein er malt, was ER sieht, nicht mit dem
fotographischen Auge der Kamera sondern mit dem, was er an Wissen, Empfinden
und subjektiven Vorstellungen mitbringt.
Der chinesische Maler NI
TSAN, (1301 bis 1374) sagt: „ Ich male um meinen Gefühlen Ausdruck zu
verleihen. Warum sollte ich mich darum kümmern, was ich sehe.“
Landschaft war schon immer
Konstruktion und Erfindung in der Kunst.
Landschaft als Gegenüber des
Menschen, als sein Kontemplationsraum, der die Seele spiegelt, ein solch
idealistisches Landschaftskonzept, greift nicht mehr.
Landschaft als Potenz der
Zivilisation ist in der Zeit der Verdrängung, der Zwischenstädte und des
Agrobusiness längst eine gängige Formulierung.
Alles ist in diesem Sinne Landschaft, aber was ist sie dann noch? Ein
ästhetisches Konzept, eine Um- oder Mitwelt? Ist sie tatsächlich ein Raum für
das gute Leben? Wenn ja, was meinen wir damit? Wellness-Hotels, Slow Food und
Sanfter Tourismus einerseits, Naturkatastrophen, Kriege und Umweltprobleme
andererseits.
Heute sind wir wieder
sensibilisiert auf die Notwendigkeit, unsere Natur zu schützen, wir wissen,
dass sie wichtig ist als Erholungsraum für gestresste Städter aber nicht nur
das, sondern wir wissen auch, dass die Natur um ihrer selbst willen erhalten
werden muss.
Wir wissen, dass eine
Trendwende notwendig ist, die Frage der Nachhaltigkeit muss immer und immer
wieder gestellt werden.
Die Bewusstseinsbildung der Bürger muss vorangetrieben werden, auch auf diesem
Weg, dem künstlerischen Weg, den Ingrid
Redlich-Pfund unbeirrt weitergeht.
Ingrid Redlich-Pfund bietet uns in ihren Arbeiten die Möglichkeit, sich wieder auf das
Sehen und auf den Blick hinter die Dinge einzulassen.
Der Bildraum wird für den
Betrachter zum individuellen Erfahrungsraum, der sich öffnet, um allen Gefühlen
und Gedanken, Platz zu geben.
Ingrid Redlich-Pfund gelingt es, trotz kritischer Thematik, ihren Arbeiten die Aura des
Geheimnisvollen und Positiven zu erhalten.
Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.
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"Weiß*Übergänge*Verwandlung" von Ingrid Redlich-Pfund im
Üblacker Häusl
Einführungsvortrag zur Ausstellung von Reinhard Fritz am 16. Sept.
2014
Sehr geehrte Damen und Herren,
bevor ich mich mit Aspekten zur Wahrnehmung der ausgestellten Arbeiten
beschäftige, muss ich des besseren Verständnisses wegen etwas weiterausholen.
Die Malerin Ingrid Redlich-Pfund ist in der Steiermark geboren und
lebt mit ihrer Familie jetzt im Landkreis Fürstenfeldbruck. Malerei und Grafik
studierte sie in Essen an der Folkwang Universität der Künste und der
Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier. 1989 erhielt sie den
Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck. Sie entstammt, und das ist bei
bildenden Künstlern nicht so oft der Fall wie z.B. bei Musikern, einer
Malerfamilie. Die Malerfamilie Redlich geht auf Carl Friedrich von Redlich, der
1823 in Bayreuth geboren wurde, zurück.
Aus einer Veröffentlichung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, in
der alle Künstlerpersönlichkeiten dieser Familie über mehrere Generationen ausführlich
beschrieben werden, und die auf Seite 75 mit der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund
schießt, entnehme ich folgenden interessanten Satz: "Warum entfloh Carl
Friedrich von Redlich aus der milden lieblichen Landschaft seiner oberfränkischen
Heimat und aus seiner biedermeierlichen Geburtsstadt Bayreuth in die
vergleichsweise wilde Gebirgslandschaft des Karwendels und des Ötztals?"
Wie sie vielleicht wissen, ging es zeitgeschichtlich um die Sympathie vieler
Bayern für die Unterstützung der Tiroler im Freiheitskampf u.a. gegen
Garibaldi, dem sich nicht wenige, so auch Carl Friedrich von Redlich,
tatsächlich anschlossen.
Das ist deshalb interessant, weil sich die Künstlerin Ingrid
Redlich-Pfund seit über 20 Jahren auch mit zahlreichen politisch-künstlerischen
Installationen an die Öffentlichkeit getreten ist, von denen hier
Fotodokumentationen aufliegen.
Bei mehreren dieser Installationen geht es z.B. um die Weltwirtschaftsgipfel
der UN, die seit 1992 in Rio de Janeiro stattfinden und die sich mit der Frage beschäftigen,
wie sich Umwelt, Wirtschaft und Entwicklung versöhnen lassen.
Dazu hat sie Installationen geschaffen, und ich möchte jetzt nur die
der letzten Jahre nennen, zu Themen wie:
2011 WELT-WIRTSCHAFTS-GIPFEL: AUSVERKAUF ERDE
2012 WASSER: WEM GEHÖRT DAS WASSER?
2012 SCHLACHTFELD GEWINNMAXIMIERUNG: AUSVERKAUF ERDE
2014 LANDRAUB FÜR BIOSPRIT
Mit diesen Installationen beschäftigt sich Ingrid Redlich-Pfund mit
dem Problem, dass die Mehrheit der Industrieländer kaum etwas tut, um den seit 1992
in Rio abgegebenen Versprechen nachzukommen. Es gab keine Abrüstung beim Konsum
und bei der Kohlenstoff- und ressourcenintensiven Produktion, denn der Ausstoß
von Emissionen und der Verbrauch von Ressourcen wurde in den reichen Staaten in
absoluten Zahlen nie gedrosselt.
Politisch steht die Welt ja vor dem Dilemma, dass der Wirtschafts- und
Finanzkrise einerseits mit mehr Wachstum begegnet werden soll, der Klimawandel
und die wachsende Ressourcenknappheit andererseits aber nach globaler
Begrenzung, nach Entschleunigung und Schrumpfung verlangen.
Eine wirklich konstruktive Verständigung darüber, welcher
Entwicklungspfad aus der globalen Mehrfachkrise führen soll, findet nicht
statt.
Vor diesem Hintergrund wenden wir uns jetzt den Bildern zu. Die Titel einiger
Bilder führen uns in die Auenlandschaft. Auen sind Uferlandschaften von Bächen
bzw. Flüssen, deren Geländeformen und Lebensgemeinschaften vom Wechsel zwischen
niederer und hoher Wasserführung geprägt werden. Sie stehen als Teil der
Flusslandschaft in permanentem Austausch mit dem Fluss selbst und seinem
Einzugsgebiet.
Auen schaffen ständig neue Lebensräume für Pioniere unter den Pflanzen
und Tieren. Das bewegte Wasser versorgt den überfluteten Boden selbst in der Vegetationsperiode
ausreichend mit Sauerstoff. Die Oberflächenstrukturen und Lebensraumbedingungen
werden vorrangig vom Fluss bestimmt. Durch den Wechsel von Überflutung und
Trockenfallen sind Auen sehr dynamische Lebensräume mit unterschiedlichsten
Standortbedingungen, die mosaikartig untereinander verzahnt sind.
Auenökosysteme beherbergen eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf
engstem Raum.
Jetzt merken wir auch den umweltpolitischen Hintergrund. Durch die
jüngst vergangenen Hochwasserereignisse an Rhein, Oder, Donau und Elbe wurde deutlich
sichtbar, dass die Flussaue zum Gewässer gehört und einen natürlichen
Retentionsraum darstellt. Seitdem ist auch einer breiteren Öffentlichkeit
bewusst, auch in Siedlungsbereichen der Flussaue die Überschwemmungsgebiete
möglichst nicht weiter einzuengen.
Die Auenlandschaft nimmt die Künstlerin ganz meditativ als
Ausgangspunkt für ihre weißen Bilder und Papierarbeiten und stellt sich bei der
Betrachtung ihrer eigenen Arbeiten ganz existentielle Fragen: Was bewegt sich?
Bewege ich mich? Bewegt sich die Landschaft vor meinen Augen? Lasse ich
Landschaft an mir vorüberziehen, schnell und immer schneller? Laufe ich, läuft
die Zeit oder bleibt sie stehen in diesen Räumen des Innehaltens, der Stille
innerhalb der Bewegung. Bin ich Ruhe in der Bewegung oder sitze ich im Zug der
Zeit?
Und diese Fragen bringen Ingrid Redlich-Pfund in ihrer künstlerischen
Arbeit mit Weißtönen an die Grenzen der Wahrnehmung. Das Weiß ist die hellste
aller Farben. Wahrnehmungs-physiologisch entsteht der Farbeindruck Weiß im menschlichen
Auge immer dann, wenn ein Material das Licht so reflektiert, dass alle drei
Zapfen in der Netzhaut des Auges, das sind spezielle Sinneszellen, also die
Blau-, Grün- und Rot-Rezeptoren, in gleicher Weise und mit ausreichend hoher
Intensität gereizt werden. Bei weniger Intensität entsteht die Grau- bzw.
Schwarz-Wahrnehmung. Von den Eskimos weiss man, dass sie aufgrund ihrer
Umgebung in Schnee und Eis etwa 20 verschiedene Weiß-Farbtöne erkennen und
benennen können, wir Städter kommen auf vielleicht drei, vier oder fünf. Auch
im zeitgenössischen Film wird immer öfter das sogenannte "white out"
verwendet, eine Szene löst sich buchstäblich in Weiß auf, d.h. sie verschwindet
im Licht.
Der Farbraum Weiß, insbesondere die noch als weiß erkennbaren Farbtöne
unterhalb des reinen Weiß, dieser schmale Farbbereich fasziniert Ingrid Redlich-Pfund
so sehr, dass er seit fast drei Jahrzehnten einen breiten Raum in ihrer
künstlerischen Arbeit einnimmt.
Wenn wir uns jetzt die Bilder genauer anschauen, dazu soll und muss
man nahe genug heran treten, erkennen wir den Farbaufbau. Auf einen Grund von dunklen,
gemischten Farbtönen aus dem Grün-, Blau- und Rot-Bereich legt sie mit einem
halbtrockenen, breiten Pinsel eine Lage Weiß auf. Dieses Weiß ist leicht
streifig und lässt die unteren Farbschichten durchscheinen. Nach dem Trocknungsprozess
wird in einem erneuten Arbeitsgang wieder so eine halbtrockene Farbschicht Weiß
aufgetragen. In weiteren Schritten nähert sie sich dem Eindruck Weiß immer
näher an. Das Risiko dabei ist, dass die weiße Farbe zu deckend wird, die
Bildfläche damit zugemalt ist, und nicht mehr diese leichte Anmutung spüren
lässt.
Bei der Anmutung dieser subtilen weiß-schimmernden Farbfläche denke
ich an das bekannte Gedicht von Matthias Claudius vom Mond, in dem es weiter
heißt: Und aus den Wiesen steiget / Der weiße Nebel wunderbar.
Ich glaube, wir sollten uns bei diesen Bildern einer Sehweise bedienen
und uns einer Wahrnehmungslust hingeben, die sich die sinnlichen Qualitäten
dieser ästhetischen Objekte gründlich erschließt und die dabei den
Wahrnehmungsprozess nicht vorzeitig abbricht zugunsten einer einfachen
Benennung oder gar einer begrifflichen Spekulation.
Und irgendwie möchte ich sie auch mit meiner Flötenmusik zu diesen
Bildern hin zu dieser Einstellung begleiten.
Bei den Papierarbeiten ist die Vorgehensweise eine andere. Das handgeschöpfte
Büttenpapier wird mit Wasser durchfeuchtet und von der Rückseite manuell
bearbeitet. Da es auf einem weichen Untergrund liegt, ergeben sich
Verformungen, die im Trocknungssprozess erhalten bleiben. Das Papierrelief ist
an sich Weiß, jedoch entstehen durch die Prägung unterschiedliche Farben von
Weiß je nach Lichteinfall, also auch hier eine stetige Verwandlung.
Und bei den Bildern im Vorraum verwendet Ingrid Redlich-Pfund einen pastosen
Farbauftrag verschiedener Weißfarbtöne. Diese Bilder erzeugen mit ihren pastos
getupften Farben verschiedener Weißtöne einen impressionistischen Eindruck, der
wieder einen ganz anderen Klang entwickelt.
Ingrid Redlich-Pfund ist sich ihres malerischen Tuns durchaus bewusst
wenn sie über diesen kontemplativen Malprozesses spricht. Beim absichtslosen Beobachten
und Geschehenlassen kommt es, sagt sie, zu Verflüchtigung, Verwandlung,
Auflösung, Ausschmelzung. Zwischen den überlagerten, farbigen Formationsschichten
entsteht eine besondere, schwer einzuschätzende räumliche Qualität, ein
Lichtraum sozusagen, einer Atmosphäre gleich. Die sich überschneidenden
Strukturformationen sind schwebende Elemente, die das Licht der sie umgebenden
Atmosphäre durchlassen. Nur durch die behutsame Annäherung an das Weiß haben
die Farben direkten Anteil an der Atmosphäre.
Das reine Weiß, dessen Symbolik im westlichen Kulturkreis mit
Begriffen wie Unschuld, Unendlichkeit und Reinheit assoziiert wird, bleibt zwar
ersehnenswert, muss und wird dennoch unerfüllt bleiben. Diesen Zwiespalt auszuhalten
ist das Thema dieser Kunstwerke.
Ein neuer Arbeitstag beginnt, das Lichte kommt, das Dunkle geht. Die
Bild- Kunst zielt, obwohl sie immer neue Farben und Formen zeigt, letztlich auf
das Unsichtbare hinter der Erscheinung, auf den Raum, den der Geist braucht, um
sich zu entfalten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Seite R 6 Fürstenfeldbrucker SZ, Nr.
226, 1. Oktober 2003
Zum Nachdenken anregen
Die Kunstpreisträgerin Ingrid
Redlich-Pfund

Sie
stuft sich als eine Künstlerin aus der Nach- Beuys- Generation ein:
die Eichenauerin Ingrid Redlich-Pfund.
Foto: Scheider
Matisse war
für sie ebenso prägend wie der Autor James Joyce; gleichzeitig stuft
sie sich selber als eine Künstlerin aus der Nach- Beuys-Generation
ein: die Eichenauerin Ingrid Redlich- Pfund. In jedem Fall aber schuf
sie mit ihren Radierungen Werke, die
Auszeichnungen, wie den Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck,
verdient haben. „Das Bild, für das ich 1989 den Kunstpreis erhielt;
hieß Boccia", erinnert sich Redlich- Pfund. Eine zweifarbige
Radierung, hergestellt nach einem verhältnismäßig komplizierten
Plattenverfahren, die mittlerweile in der Neuen Pinakothek von
Budrio hängt, der Partnergemeinde von
Eichenau.
Doch nicht nur
die Technik der Radierung ist es, die Redlich-Pfund über viele Jähre
gereizt hat; ebenso lang waren es auch die Themen, die in dem
preisgekrönten Werk enthalten waren: die Bewegung und das Spiel.
„Bewegung, das bin ich, damit identifiziere ich mich, nicht zuletzt
auch, weil ich 35 Jähre klassisches Ballett machte", erzählt die
Künstlerin.. Doch es ist nicht immer nur
die" Bewegung von Körpern, auch fließendes Wasser beispielsweise
fasziniert Redlich-Pfund, Wasserstrudel, die sich trennen, um
Hindernisse herumfluten und wieder zusammentreffen, in einem ewigen
Kreislauf. Das Spiel der Menschen miteinander ist dagegen etwas, das
die Eichenauerin gerne bewahren möchte.
„Ich habe den Eindruck, dass man sich wieder
stärker auf die entscheidenden Werte besinnen muss in einer Zeit, die
von einem zwanghaft schnellen Zeitrhythmus geprägt ist, in der
Massenkommunikation beherrschend ist", erläutert sie. Ein Spiel wie
Boccia gilt in Redlich- Pfunds gleichnamiger Radierung somit auch als
Gegenstück zu den Drogen, die Gemeinschaft, Wärme und Zuneigung nur
vorgaukeln. „Ich wollte schon immer mit meinen Radierungen, wenigstens
einen Denkanstoß liefern, wenn ich auch die Welt nicht mit ihnen
verändern kann", so die Eichenauerin.
Ein Ziel, das sich Redlich-Pfund nicht nur für ihre Radierungen,
sondern auch für ihre Malerei und ihre Installationen gesetzt hat, und
mit dem sie regelrecht provozierend auf ihre Umwelt wirkt. „In der
evangelischen Kirche in Eichenau habe ich
zum Beispiel 1995 ein weißes Lichtkreuz ausgestellt, auf dem neben
positiven Zeichen, wie dem Freiheitsstern, auch das Hakenkreuz und SS-
Runen zu erkennen waren", erzählt sie. Es wurde von einigen Kritikern
als skandalös bezeichnet, ihre Intention missverstanden. „Für mich war
es durchaus schlüssig, denn abgesehen davon, dass das Hakenkreuz einst
eine andere Bedeutung hatte, vereint das Kreuz selbst in sich solche
Widersprüche wie Leiden , und Erlösung", findet
Redlich Pfund.
Die Farbigkeit des Kreuzes ist zudem etwas, das die Künstlerin auch
weiterhin stark beschäftigt. „Mich reizt die Atmosphäre von Weiß, die
Lichtelemente und die sich überschneidenden Farbigkeiten, die darin
enthalten sind", so ihre Erklärung. Und so sei ihre Malerei in den
vergangenen. Jahren, noch wesentlich intensiver geworden; meint
Redlich-Pfund.
„Denn nichts zu sein und dennoch
sichtbar zu werden ist etwas, das mich zur Zeit am meisten
interessiert", erklärt sie. An der Ausschreibung zum diesjährigen;
Kunstpreis hat sie dennoch nicht teilgenommen. „Dafür werde ich in
zwei Jahren ein großes Projekt in Italien machen, auf' das ich mich
sehr freue", erzählt sie.
Ann-Kathrin Horst
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Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 25 FFB
ÖSTLICHER LANDKREIS Mittwoch, 31. Januar 1996
Zur Auseinandersetzung in der
evangelischen Kirche von Eichenau
Das „Lichtkreuz“ diente nicht dem Frieden
Das umstrittene, mit NS- Symbolen bestückte Werk wird
abgehängt / getrübtes Verhältnis zwischen Chor und Pfarrer?
Eichenau - „Was dem Frieden dient“ evangelische Friedenskirche in mit diesem
Thema setzt sich die evangelische Kirche anlässlich ihres 25 jährigen Bestehens
auseinander. Unter dem Motto war auch die Ausstellung eröffnet worden - jetzt,
knapp drei Wochen nach dem Ende dieser Veranstaltung, gerät eines der Objekte,
das Lichtkreuz von Ingrid Redlich-Pfund, in das Kreuzfeuer der Kritik. Grund,
das Kunstwerk, das nun in der Nähe des Altars hängt, enthält neben sieben
anderen Symbolen ein Hakenkreuz und eine SS- Rune (wir berichteten).
NS- SYMBOLE IM KREUZ. In Eichenaus evangelischer Kirche
herrscht Verärgerung über ein im Altarraum angebrachtes Kunstwerk.
Photos: Günther Reger
Von Judith Becker. Erst Sonntag
vor einer Woche, kurz vor dem Gottesdienst, betrachteten drei der
Chormitglieder das Kunstwerk genauer. Und entdeckten dabei die beiden Symbole
aus der NS-Zeit. Ihre Reaktion: Sie weigerten sich, vor dem „Lichtkreuz"
zu singen und wichen aus auf die Empore der Kirche, auf der sie ohnehin häufig
musizieren. Die Versuche von Pfarrer Roland Mühlhaus, in
seiner Predigt beschwichtigend auf die erhitzten Gemüter einzuwirken, missglückten.
Seine Erläuterung, in dem Werk werde das Böse wie das Gute dargestellt,
bezeichnet Chorsänger und Kirchenmusiker Christof Huhn nur als „theologischen
Seiltänzertrick". Chormitglied Adolf Mohrweiß hatte sogar das Gefühl,
Mühlhaus habe ihm und seinen Mit solche Symbolen des Schreckens und des Unheils
hätten nichts in unserem Glaubenssymbol verloren, stellten gar eine
Pervertierung" desselben dar.
In ihrem „Lichtkreuz", sagt die Eichenauer Künstlerin selbst, werde
in der Mitte die Weltscheibe, im unteren und im linken Bereich Symbole des Bösen
wie das, Hakenkreuz, die Runen sowie auch das Schächer-kreuz und das
Anarchiezeichen dargestellt. Im oberen und rechten Arm dagegen zeigt sie das
Gute, in Form des Friedenszeichens „des Freiheitssterns und des
Jerusalemkreuzes. Eine Form der Darstellung, die übrigens auch im Mittelalter
üblich war: unten im Kreuz das Böse, der Teufel, oben das Lichte, das
Göttliche. Die Künstlerin schreibt dazu in einer Interpretation, die neben dem
Kunstwerk angebracht ist: „Im Zeichen des Kreuzes vereinen sich, die Extreme,
insofern. das Kreuz als Symbol die Widersprüchlichkeit der Realität in ein
übergreifendes Sinnzeichen zusammenfasst."
Für Mohrweiß stellt die
Verwendung der NS-Symbole in der Kirche auf alle Fälle einen Eklat dar. „Da
kommt sehr viel hoch", sagt er. Und fügt entsetzt an, dass „der Dekan aus
Fürstenfeldbruck beim Jubiläumsgottesdienst unter dem Hakenkreuz gepredigt
hat". Unverständlich ist ihm die Haltung von Pfarrer Mühlhaus,
der in der Öffentlichkeit, die eine Kirche darstelle, solche Zeichen zulasse.
„Hier sollte sich die Staatsanwaltschaft drum kümmern", meint er und
spricht Mühlhaus kurz darauf sein Misstrauen aus. Schließlich kämen immer
weniger Menschen zum Gottesdienst seit Mühlhaus dort
Seelsorger sei.
Ob die
verwendeten NS-Symbole der einzige Grund für den Streit sind, ist unklar.
Gerüchte, dass das Verhältnis zwischen Chor und Kirchenmusik sowie dem Pfarrer
ohnehin nicht das beste sei, werden zumindest von Oswald Wendung, Verbindungsmann
zwischen Chor und Kirchenvorstand, teilweise bestätigt: „Wir haben den
Eindruck, dass er nicht so angetan ist", da die Musiker „Leben und'
Lebendigkeit hin einbringen". Der Vertrauensmann des, Kirchenvorstandes,
Arnulf Thilenius,'; dagegen weiß angeblich ebenso wie Mühlhaus nichts von einer
solchen grundsätzlichen Disharmonie. !
Wie dem auch sei: Das umstrittene Kreuz kommt weg. Mühlhaus hat bereits
vor einiger Zeit alle Künstler schriftlich gebeten, ihre Werke abzuholen. Und
er kann den Ärger auch nachvollziehen: "„Das Kunstwerk ist nicht leicht
zugänglich."
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Seite
8 / Süddeutsche Zeitung Nr. 262 FFB
Dienstag,
14. November'1995

WAS
DEM FRIEDEN DIENT ist der Titel einer Kunstausstellung, die am Wochenende in
der Eichenauer
Friedenskirche eröffnet wurde. Unser Photo zeigt Pfarrer Roland Mühlhaus sowie die
Künstlerin Ingrid
Redlich- Pfund mit ihrem „Lichtkreuz" (Bericht folgt).
Photo: Scheider
Dazu gehört Verwirrung
SZ Montag 05.02.1996
Zum Bericht „Das Lichtkreuz diente nicht dem
Frieden" vom 31. Januar:
Da sitzt man gottergeben und müde vor dem
Fernsehschirm und wartet darauf, dass der Wetterfrosch endlich einmal ein paar
Sonnen strahlen aufleuchten lässt, bei diesem Wetter - trist - traurig - trüb!
Aber nix is' mit einem Strahlenkreuz am Fernsehfirmament, statt dessen
leuchtet plötzlich ein Trumm Hakenkreuz auf goldenem Grund in die gute Stube!
Ja, spinnen die jetzt beim Fernsehen, was soll denn das?
Wir haben zwar den 30. Januar, den Tag der Machtergreifung im Jahre 1933, wir
schreiben aber 1996, und die SS-Runen strahlen auch noch fein säuberlich dazu!
Ja, darf denn das sein?
Allmählich hole ich wieder
Luft, harre der Dinge, die nun kommen müssen, und setze mich wieder hin. Aber
jetzt kommt's erst! Dieses Hakenkreuz mitsamt den SS-Runen hängt seit Wochen
in der evangelischen Kirche, ausgerechnet in Eichenau! Es handelt sich dabei
um ein Kunstwerk, hört und sieht man, um ein Lichtkreuz! Die weiteren
Informationen hole ich mir aus der „Süddeutschen", und was ich da lese,
veranlasst mich sowohl als Christenmensch aber auch als Bürgerin meiner
gebeutelten Seele Luft zu verschaffen.
Künstlerische Freiheit hin oder her, ein
Hakenkreuz gehört nicht auf das Heilzeichen der Christenheit. Im Kreuz ist
Heil für jeden Christenmenschen, aber nicht Heil Hitler. Als das Hakenkreuz
als Symbol verordnet wurde, begann das Unheil! Dieses Zeichen auf den
Längsbalken des christlichen Symbols zu setzen, dazu gehört schon eine
gedankliche Verirrung, wenigstens für mich! Über Kunst lässt sich bekanntlich
trefflich streiten, jeder soll seine künstlerischen Ideen ausleben in seinen
Werken, aber in einer Kirche hat ein solches Werk nichts zu suchen. Die Leute
vom Chor haben recht, in einem Sakralraum gehört so etwas nicht, da hilft auch
kein Herunterspielen des Vorganges. Hier handelt es sich nicht um Intrigen,
sondern um eine handfeste Tatsache, gottseidank haben sich aber viele ein
gesundes Gespür bewahrt und dies auch zum Ausdruck gebracht. Unerfindlich ist
nur, dass dieses Lichtkreuz (was ich übrigens auch für eine irrige Bezeichnung
halte im Zusammenhang mit Hakenkreuz und SS-Runen, bekanntlich gingen die
Lichter aus unter diesen Zeichen) solange in der Kirche hängen konnte, bis man
Anstoß daran nahm. Gewiss, die Welt wird nicht untergehen deswegen, aber
vielleicht wird man in Zukunft etwas mehr Fingerspitzengefühl und gesunden
Menschenverstand bei der Auswahl künstlerischer Exponate an den Tag legen und
auch die religiöse Empfindsamkeit mehr respektieren, trotz künstlerischer
Freiheit. Man stelle sich vor, dieses Lichtkreuz stünde an einer Straße! Die
Reaktionen der Bürger kann man sich ausmalen.
Alma Hagenbucher
Eichenau
Ein unglückliches „Kunstwerk" lädt zu
Missverständnissen ein
SZ Montag 05.02.1996
Zum Bericht „Das
,Lichtkreuz' diente nicht dem Frieden" vom 31. Januar:
Als vor über zehn Jahren im ehemaligen
Freizeitenheim der evangelischen Gemeinde in Eichenau die Ausstellung „Kirche
unter dem Hakenkreuz" gezeigt wurde, an deren Vorbereitung und Durchführung
ich mitwirken durfte, wusste jeder schon vom Namen her - und damit
unmissverständlich , dass es sich um eine
Auseinandersetzung mit der kirchlichen Anbiederung an den NS-Staat handelte.
Freilich hatte auch Martin Niemöller und Dietrich
Bonhoeffer in diesem Rahmen einen Platz, um auch den - sehr schmalen -
Widerstand darzustellen.
Anders, unglücklicher
scheint mir das „Kunstwerk" benannt, welches jetzt in Eichenau zu
(berechtigten) Emotionen führte. Wer in einem Werk ohne jede einschränkende
Darstellung NS-Symbole verwendet, darunter das als „Sonnen-Symbol" bekannte,
von den NS-Machthabern missbrauchte Hakenkreuz, und das ganze dann noch mit
„Lichtkranz" betitelt, der lädt gerade zu Missverständnissen ein. Nun kann
Kunst natürlich auch die gewollte Provokation zum Ziel haben, um den
Betrachter zur Auseinandersetzung zu zwingen. Sowohl die -nachgereichten -
Interpretationen wie die Beschreibung
durch die Künstlerin (auf einem Blatt neben dem
„Lichtkreuz") geben allerdings mehr einen erschreckend naiven Umgang mit
diesen zum Un-Heil gewordenen Symbolen wieder, als eine (nicht) erkennbare
kritische Auseinandersetzung.
Wer sich schon in der Bezeichnung an die alte
Symbolik (Sonnenzeichen/Lichtkreuz) ohne Fragezeichen anlehnt und dann noch
von „unten und links(!) sei das böse, oben und rechts(.*) sei das gute
dargestellt" spricht, lässt nicht nur jede Sensibilität im Umgang mit jüngster
schmerzlicher Vergangenheit vermissen, er muss sich auch geradezu berechtigte
und notwendige Kritik gefallen lassen.
Es ist gut, dass der Chor mit seinem (sehr
späten) Widerstand gegen das in Gold glänzenden Hakenkreuz (und die goldenen
SS-Runen) an die gute und beispielhafte Tradition des Freizeitenheimes in
Eichenau angeknüpft und damit (hoffentlich) eine
Wiederholung in vergleichbarer unsensibler Form unmöglich gemacht hat!
Nicht jede Kunst verdient dieses Prädikat, wirkt
eher an den Haaren herbeigezogen und „künstlich"! Gut, dass dieses
„Lichtkreuz" die Friedenskirche in Eichenau nicht
mehr verdunkelt!
Carl-Wolfgang Holzapfel
Puchheim
Das Böse Bestandteil des Lebens
SZ Montag 05.02.1996 Leserbrief
Zum Bericht „Lichtkreuz diente nicht dem
Frieden" vom 31. Januar:
Die Aufregung um das
„Lichtkreuz" der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund verstehe ich nicht. Die Art,
wie sie ihr Werk erklärt, finde ich verständlich. Das Böse war und wird immer
Bestandteil unseres Lebens sein. Dass sie als Symbolik für das „extrem"
Schlechte beziehungsweise Böse das Hakenkreuz beziehungsweise die SS-Rune
wählte, ist für mich nachvollziehbar, weil dadurch das Unmenschliche, das
Schlechte oder Böse ganz stark ins Bewusstsein tritt. Die weitere Erklärung,
dass das Gute durch Symbole über dem Bösen steht, es damit beherrscht, finde
ich ebenfalls einleuchtend.
Mit diesen Gedanken ausgestattet, kann man
„dieses" Kreuz vielleicht als Ausdruck gelebter „Realität" sehen: Nicht nur
Gutes ist allgegenwärtig, sondern auch das Böse -das Kreuz in dieser Form aber
als Hoffnungsträger: Das Gute steht über dem Bösen und ist imstande, es zu
besiegen.
Gertraud
Konradt, Germering
Symbol für eine unüberbietbare Form von Grausamkeit in unserem Jahrhundert
SZ Montag 05.02.1996
Zum Bericht „Das Lichtkreuz dient nicht dem
Frieden' vom 31. Januar: In Ihrem Bericht zeigt sich Herr
Mohrweis entsetzt, dass „der Dekan von Fürstenfeldbruck beim
Jubiläumsgottesdienst unter dem Hakenkreuz gepredigt hat". Dazu möchte
besagter Dekan folgendes bemerken:
1.
Ich habe nicht „unter denn
Hakenkreuz" gepredigt, sondern vor einem relativ kleinen, unaufdringlichen
Kreuz, das von Ingrid Redlich-Pfund, Kunstpreisträgerin unseres Landkreises,
gestaltet und der evangelische Gemeinde Eichenau
für eine Ausstellung überlassen worden ist. Auch bevor ich mich darüber
informiert hatte, dass die Künstlerin über jeden Verdacht
rechtsextremistischer Einstellungen erhaben ist, hat mir das Kreuz zu solchen
Missverständnissen keinen Anlass gegeben.
2.
Es ist sehr verdienstvoll, dass
sich die evangelische Gemeinde Eichenau mit
Pfarrer Mühlhaus um die Begegnung" von Kirche und
Kunst bemüht und dazu immer wieder Ausstellungen durchführt. Sie sollten sich
durch die jetzigen Auseinandersetzungen darin nicht beirren lassen.
Kunst darf und soll Denk-Anstöße geben. Wenn es
manchmal allein bei den Anstößen bleibt, liegt das nicht immer an der Kunst.
Auch ohne die Interpretation der Künstlerin und ohne Expertenwissen erschließt
sich der Sinn des „Lichtkreuzes" von Frau Redlich-Pfund dem unvoreingenommenen
Betrachter relativ leicht: Das Kreuz ist ein Symbol, das - wie jedes große
Symbol - Widersprüche vereinigt, Leiden und Erlösung, Schuld und Vergebung,
Grausamkeit und neues Leben, Erde und Himmel. Die Künstler früherer
Jahrhunderte waren nicht zimperlich, auch die Schattenseiten unserer Welt
darzustellen, zum Beispiel die Grausamkeit, die Christus durch die Machthaber
seiner Zeit am Kreuz erleiden musste. Hakenkreuz und SS-Runen sind in diesem
Kreuz zu Symbolen für eine unüberbietbare Form von Grausamkeit in unserem
Jahrhundert geworden; durch die Symbole konnte die naturalistische Darstellung
von Grausamkeit vermieden werden. Sie sind integriert in ein Kreuz, das auch
die andere Seite gleichgewichtig und ebenfalls in Symbolen zum Ausdruck
bringt: Licht, Erlösung, Frieden, positive Visionen.
4. Es fällt mir schwer, Zugang zur Aufgeregtheit
der Kritiker zu finden. Wenn jemand leidvolle Erfahrungen im „Dritten Reich"
gemacht hat oder ihn die Leiden anderer in dieser Zeit tief bewegen, ist es
menschlich natürlich verständlich, wenn allein das Vorhandensein eines
Hakenkreuzes oder einer SS-Rune als Provokation wirken kann. Aber irgendwann
sollte auch die Frage folgen, in welchem Zusammenhang und mit welcher Absicht
so eine Darstellung erfolgt; hinzu kommt,
daß Kunst sich in der Regel auch des Mittels der
Verfremdung bedient. Im Kontext der Gesamtdarstellung wird hier das Hakenkreuz
zum Kreuz unserer Zeit - aufdek-kend, wozu
Menschen fähig sind, erschreckend, entlarvend, provozierend, mahnend. Die
Tragik der gegenwärtigen Auseinandersetzung besteht darin, dass Künstlerin und
Kritiker sich in der Einschätzung jener Vergangenheit einig sein dürften und
doch nicht zusammenkommen. Oder vielleicht doch noch?
5. Mir ist nicht eindeutig klar, was die
Kritiker eigentlich bezwecken. Wenn sie nach dem Staatsanwalt rufen und davon
reden, der Dekan habe „unter dem Hakenkreuz" gepredigt, klingt das, als
wollten sie - die Gemeinde? den Pfarrer? mich? die Künstlerin? - einer
rechtsextremistischen Schlagseite bezichtigen. Das wird so natürlich nicht
behauptet, aber gerade das Unterschwellige an diesem Vorgang stört mich.
Oder besteht der Stein des Anstoßes allein
darin, dass ein christliches Symbol, das Kreuz, durch die inkriminierten
Symbole sozusagen „geschändet" wird? Wie steht es dann aber mit der
grausam-realistischen Kreuzigungsszene eines Matthias Grünewald oder den
Teufels- und Dämonendarstellungen eines Hieronymus Bosch? Wenn auch nicht in
einem künstlerisch verantworteten Kontext ein Hakenkreuzsymbol in einem
sakralen Kunstwerk auftauchen darf, müssten wir konsequenterweise auch alle
Teufelsdarstellungen aus den Kirchen verbannen. Provozierend war christliche
Kunst schon immer - bei den alten Meistern haben wir uns daran gewöhnt. In der
modernen Kunst gibt es weit Provozierenderes als das Lichtkreuz in Eichenau,
auch in der christlichen Kunst. Künstlerische Freiheit hat eine lange
Tradition. Manchmal ist sie schwer zu akzeptieren. Insgesamt ist sie aber
unaufgebbar -gerade angesichts unserer Geschichte.
Ulrich Finke, Dekan
Evang.-Luth.
Dekanat
Fürstenfeldbruck
Verwendung des Hakenkreuzes ist stets unangebracht
Fürstenfeldbrucker SZ Montag 05.02.1996, Leserbrief
Zum Bericht „Das .Lichtkreuz' diente nicht dem
Frieden" vom 31. Januar:
Natürlich gehört das „Böse" zum „Ganzen", das in
sich „widersprüchlich" ist. Und natürlich konnte das Mittelalter - das die
Welt anders sah als unsereiner - das Zeichen des „Bösen" ins Kreuz
integrieren. Frühere Jahrhunderte hatten eine andere Sensibilität fürs
Heilige. Unsere Epoche hingegen ist - das betrifft auch die Kirchen -
„säkularisiert"; und zur Vorstellung einer säkularisierten Welt gehört es, das
„Böse" nicht einer heilsgeschichtlichen „Ur-macht" zuzuschreiben, sondern zu
begreifen, dass es von uns „erzeugt" wird.
Bereits der heilige Augustinus sprach übrigens
schon davon, dass das „Böse" kein eigenes Sein aufweise, sondern in einer „privatio
boni", einem Mangel an Gutem, bestehe. Auch wenn
erst das Kreuz diesen Mangel behebt, brauchen seine Zeichen nicht in ihm
vorzukommen: Als Kreuz allein bleibt es schon immer vollkommen: ein indirekter
Hinweis auf das, was mit ihm prinzipiell überwunden ist.
Was Ingrid Redlich-Pfund angefertigt hat, bleibt
etwas Ausgedachtes, etwas Spitzfindiges, etwas Konstruiertes mit Bezugnahme
auf eine Zeit, die nicht die unsrige war. „SS-Rune" und „Hakenkreuz" sind in
jeder Konstellation unangebracht, skandalös - zumal
aber dann, wenn ihre „Berechtigung" erst noch (historisch) erklärt werden
muss, damit sie „richtig" verstanden werden.
Historische Bildung ist vonnöten, gewiss. Doch
sie muss manchmal einsehen, dass sie an Grenzen stoßen, dass sie unzuständig
sein kann. Wollte jemand darauf verweisen, dass das „Hakenkreuz" (im Sanskrit
„Swastika" oder „heilbringendes Zeichen") in vielen alten Kulturen als
heiliges Zeichen vorkommt (etwa als Sonnenrad), hätte er sicherlich recht;
doch das änderte nichts daran, dass dieses Zeichen von den Nazis ungültig
gemacht wurde - auch das ist „Geschichte". Es darf nicht mehr vorkommen,
Geschichte hin, Geschichte her, Bildung hin, Bildung her. Und so verhält es
sich eben auch mit dem Verweis auf mittelalterliche Kreuze, in die das „Böse"
einbezogen war. So geht es, gerade aus geschichtlichen Gründen, nicht mehr.
(Aber nun doch noch ein Stück historisches Bildungsgut: An mittelalterlichen
Domen waren die Teufel oder Dämonen außen
angebracht - etwa als Wasserspeier.
Wilhelm Hock
Gröbenzell
Zuschriften unter
„Leserbriefe" stellen' keine redaktionelle Meinungsäußerung dar. Die Redaktion
behält sich außerdem jederzeit das Recht auf Kürzungen vor. Um Missbrauch
vorzubeugen, werden Leserbriefe künftig ohne die Anschrift der Schreiber
veröffentlicht. Die Adressen sind der Redaktion bekannt.
Friedenskirche
Eichenau
Streit wegen NS Symbolen
Eichenau - Unfrieden ist in Eichenaus
evangelischer Kirche ausgebrochen. Stein des Anstoßes: ein, Kunstwerk im
Altarraum, das Symbole der NS-Zeit enthält. Wie jetzt
bekannt wurde, entbrannte der Ärger Sonntag vor einer Woche. Seit dem weigert
sich der Kirchenchor vor dem „Lichtkreuz" der Eichenauer Künstlerin Ingrid
Redlich- Pfund zu singen und dort das Abendmahl einzunehmen.
Schon seit gut zwei
Monaten hängt das laut der Künstlerin mit Symbolen des Guten und des Bösen
bestückt ist, an jenem Platz. Angebracht wurde es im November anlässlich einer
Ausstellung zum 25jährigen Bestehen der Friedenskirche. Deren Motto: „Was dem
Frieden dient." Erst jetzt entflammte der Streit um das einzige noch nicht
abgenommene Werk. „Es ist peinlich", bekennt
Chormitglied und Kirchenmusiker Christof Huhn, aber
der Chor habe erst am Sonntag, dem 21. Januar, entdeckt; dass das
Lichtkreuz auch ein Hakenkreuz und eine SS-Rune enthalte.
Total geschockt und entsetzt", so sagt Huhn,
hätten einige Chormitglieder daraufhin beschlossen, nicht mehr an ihrem
angestammten Platz zu musizieren, da das Kunstwerk eine „Pervertierung unseres
Glaubensymbols" darstelle, indem das „Symbol des Teufels und des Bösen"
darin dargestellt werde. Adolf Mohr weiß, ebenfalls beim Chor,
attestiert: Die SS-Rune „hat die SS-Standarte
Dachau getragen, die Abertausende umgebracht. hat". Außerdem sei es strafbar,
das Hakenkreuz öffentlich zu zeigen". Laut Staatsanwalt Hubert Vollmann dürfen
diese Zeichen im Bereich der Kunst allerdings verwendet werden. Die Künstlerin
selbst erklärt, sie habe mit dem Bild bezweckt, „die Menschen zum Nachdenken
zu bewegen; dazu, ihre Handlungen vorher zu überprüfen.
bec
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SZ Ausgabe Süd 25.
Mai 1995
Lässiges und Nachdenkliches
Malerin Ingrid Redlich-Pfund stellt in Grünwald aus
INGRID
REDLICH-PFUND erklärte in Grünwald die Arbeiten in ihrer Ausstellung, hier
neun Betongüsse mit einem Schriftrelief „Erstarrte Wasserkraft".
/Photo:
Schunk
Grünwald
- Auf Einladung des Grünwalder
Kunstforums stellt die Architektin und Malerin Ingrid Redlich-Pfund eine
Auswahl ihrer Arbeiten im Bürgerhaus aus. Es sind Zeichnungen, Reliefs aus
getriebenem Metall, Blinddrucke und eine Assemblage, die, wie auch die anderen
Arbeiten, zum Verständnis für Leben und Natur hinführen will. „Elementare
Bewegungen" nennt die Künstlerin großformatige Arbeiten auf Papier, die im
manuellen Prägedruck mit Darstellungen im Charakter von Zeichnungen versehen
worden sind. Es sind durchweg großzügig-lässige Silhouetten von Frauenkörpern.
Durch das Weiß in Weiß und die etwas manirierte
Linienführung bleibt es eher bei der vordergründigen Botschaft von Ästhetik und
Harmonie.
Die Zeichnungen dagegen, durchweg Tusche auf Papier,
und die Materialbilder aus Metallplatten, die mit einem Netzwerk von handgetriebenen
Linien versehen und bemalt sind, geben einer eigenwilligen Interpretation der
energetischen Schwingungen der Natur Raum. Geht es konkret um Gras? Geht es um
die tänzerischen Rhythmen einer stets in Bewegung befindlichen und stets
schöpferischen geistigen Struktur?
Die Assemblage ist ein Stille-Raum, gebildet aus hellen
Platten, die ebenfalls solche kürzelartigen Strukturen tragen, und eine Säule
aus würfelartigen Elementen. Dieses Objekt wie auch die Ausstellung insgesamt
verlangt die Bereitschaft des Betrachters zum meditativen Einlassen und eine
hintergründigere Sicht, als sie die schnelllebige Zeit in der Regel zulässt.
Vielleicht hat sie deshalb in diesem häufig begangenen, offenen Foyer den
rechten Platz. Vielleicht auch nicht.
INGRID ZIMMERMANN
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Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 101 FFB
GERMERING Mittwoch,
3. Mai 1995
„AUS GRÄBERN" HEISST DIE ARBEIT, die Ingrid
Redlich-Pfund gestern auf dem Therese-Giese-Platz installierte. Die Schriftzüge
auf der rechteckigen Anordnung von Betonplatten erscheinen seitenverkehrt: Vater
- Mutter - Stock - Steine - Opfer - Brot - Heimat - Unser - Land. Die Platten
wurden in Sand verlegt, der vom Bauhof angefahren wurde. Die Installation ist
Teil einer Initiative, die Ingrid Redlich-Pfund mit der Germeringer Künstlerin
Constanze Wagner, die gestern daneben zwei Kreuze aufstellte, in Gang setzte. Am
Freitag, 5. Mai, sind an den Erinnerungskunstwerken zum 50sten Jahrestag der
Beendigung der Nazi-Greuel zahlreiche Aktionen
geplant.
Photo:
Ortwin Scheider
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Welt
der Frau 2 / 93 Seiten 30-31
Ingrid Redlich-Pfund will mit Rauminstallationen den
Betrachter zu einem Teil ihrer Kunst werden lassen.
Kunst be- greifbar machen
von Michaela Pfaffenwimmer

Ingrid Redlich-Pfund demonstriert die Beweglichkeit ihrer Skulpturen.
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„Mein
Hauptinteresse gilt der unterschiedlichen Darstellung von Bewegung",
erklärt die 45jährige Künstlerin Ingrid Redlich die
Triebkraft für ihre Arbeit. Jeder Mensch ist in ständiger
Unrast auf der Suche nach Erkenntnis, auf der Suche nach dem Sinn des
Daseins schlechthin, denn wir leben in einer Gegenwart, die einem sich
mehr und mehr beschleunigenden Zeitrhythmus unterworfen ist". Bewegung
ist im weitesten Sinn zu verstehen: „Wenn ich fließendes
Wasser betrachte, sehe ich Wellen und Strudel, die sich vereinigen und
wieder trennen. Sie sind keine unabhängigen Gebilde, sondern Teile
einer ganzheitlichen Bewegung."In allen ihren Arbeiten versucht Ingrid
Redlich, Bewegung in Kunst umzusetzen. Deshalb gehören Tanz und
Musik ebenso zu ihrem Leben, sind wie Quellen, aus denen sie als
Künstlerin schöpfen kann. Seit fast 30 Jahren tanzt sie
Ballett, 13 Jahre hat sie Klavier gespielt. An ihren
Körperbewegungen, kraftvoll aber zugleich graziös, an der
geraden Haltung spürt man das jahrelange Training. Aus ihrer
Balletterfahrung entstehen immer wieder neue "Skizzenblätter", mit
denen sie versucht, tänzerische Bewegungsabläufe in Linien
und Flächen festzuhalten.
Ständig in Bewegung
Ingrid Redlich ist in Österreich geboren und
lebt seit 1988 in Eichenau bei München. Dass sie Künstlerin werden wollte,
hat sie schon sehr früh gewusst. Da gab es als Vorbild eine Tante Mia,
Urgroßmutter Wilhelmine Redlich, eine bekannte Malerin, den Urgroßvater
Josef und den Ururgroßvater Karl Redlich, beide Aquarellmaler und
Lithographen. Von diesen Vorfahren aus der väterlichen Verwandtschaft stammt
wahrscheinlich auch ihr Talent. Vorerst aber fügte sie sich dem Willen ihre
Eltern, „etwas Ordentliches" zu lernen, und absolvierte an der Höheren
Technischen Lehranstalt Innsbruck ein Hochbaustudium. Nach mehrjährigen
Aufenthalten in Italien, England und Spanien ließ sie sich gemeinsam mit
ihrem Mann in Deutschland nieder und besuchte Zeichen- und Malkurse an der
Volkshochschule in Essen. Trotz ihrer beiden kleinen Kinder und einem
Ehemann, der beruflich viel auf Reisen war, begann Frau Redlich, an der
Folkwangschule in Essen Malerei und Graphik zu
studieren. Über die Europäische Akademie in Trier belegte sie Kurse bei den
Professoren Gassmann (USA), Guiffret
(Frankreich) und Allen (England). Ihrem Sohn und ihrer Tochter zuliebe
stellte sie die künstlerische Arbeit hinter die Mutterpflichten zurück.
Obwohl sie die gedankliche Beschäftigung mit einer künstlerischen Idee
tagsüber nicht losgelassen hat, verlegte sie die Arbeit in die Abendstunden.
|
Heute ist das anders. Im Haus ist es ruhig
geworden. Der Sohn studiert in München und die jüngere Tochter lebt nicht mehr
daheim. Ingrid Redlich ist mit ihrem Atelier vom Dachboden, der zu beengend zum
Arbeiten war, in den großen Kellerraum
übersiedelt, der mit Neonröhren taghell erleuchtet werden kann. Sie
braucht und genießt die Ruhe zum Arbeiten. Eine Arbeit, die Ausdauer, Disziplin
und Kontinuität verlangt.
Veränderungen darstellen
In der Küche hängt ein in grellen, bunten Farben
gehaltenes Ölbild der Künstlerin aus vergangenen Jahren. Die Farbradierungen an
den Wänden im Wohnzimmer und die gedruckten Pastellvariationen haben in
zahlreichen Ausstellungen große Beachtung gefunden. Die Künstlerin sieht sich
aber in diesen Bildern nicht mehr. Die Zeit der Farben ist vorbei. Dem Weiß in
ihren Aktbildern stellt sie jetzt ihre schwarzen Skulpturen gegenüber.
Sie hat sich verändert und deshalb seit einiger
Zeit einer völlig anderen künstlerischen Ausdrucksform zugewandt. Nicht zuletzt
als Ventil für Auswirkungen von schweren Krankheiten in ihrer Familie, die sie
am meisten belastet haben, Veränderungen
für die Familie brachten, und mit denen jedes Familienmitglied
auf seine Weise umgehen lernen muss.
Als Rückzug aber zugleich als Befreiung beschreibt
sie ihren vierwöchigen Arbeitsaufenthalt im Kloster Fürstenfeld in
Fürstenfeldbruck im vorigen Jahr. In der in diesem Kloster eingerichteten
Kulturwerkstatt hatte sie die Möglichkeit, den kargen Raum - weiße Wände und
romanische Rundbögen - zu bearbeiten. „Es war für mich wie eine Klausur.
Abgeschirmt, kein Telephon. Ich war im
Raum und mit dem Raum allein. Ein bildender
Künstler denkt, bringt seine Gedanken zum Ausdruck, indem er arbeitet. Man redet
nicht darüber, man macht es." Das Resultat dieses einmonatigen
Klosteraufenthalts war ein Bilder- und Skulpturen-Szenario im Raum: sieben
schwarze Stelen, das sind freistehende, mit Inschriften versehene Säulen, drei
Bilder aus naturweißem Büttenpapier mit graphisch streng angeordneten
Buchstabenreliefs - und sonst nichts.
Alles ist Bewegung
Ihre Werkstatt im Kloster wurde für Besucher
geöffnet. Der Besucher konnte die schwarzen Holzsäulen der Rauminstallation
berühren, an den beweglichen oberen Teilen der Stelen drehen, mit der Hand über
die Landschaften, die Buchstaben an ihrer Oberfläche streichen.
Jeder, der den Raum betrat, hat sogleich versucht,
die auf drei Bildern angeordneten Buchstabenreihen zu entziffern. Farblose
Buchstabenreihen, in denen der Betrachter vergeblich nach sinngebenden
Beziehungen der Buchstaben, nach
Wörtern Ausschau gehalten hat. Wo liegt dieses Rätsels Lösung? Die
Künstlerin las Zeile für Zeile, von links
nach rechts, von rechts nach links, Buchstaben flössen ineinander. Ingrid
Redlich demonstrierte eine in Einzelteile
zerlegbare, eine zerstreute Sprache, in der es keinen Anfang und kein
Ende gibt. Keine Hierarchien der Buchstaben und keine Buchstabenreihe, die nicht
umgekehrt betrachtet werden kann. Diese
Letternbilder stellen somit letztlich unser Zeichensystem in Frage: die
Sprache. Ein Raum, in dem die Künstlerin
auf Farbe verzichtet hat, war entstanden. Ein Raum, in dem Schriftzeichen
ihre Bedeutung verlieren. Und sich der Besucher drastisch mit dem Wesentlichen
des Raumes konfrontiert sieht: einem Sturz ins Leere, wenn äußerliche Formen und
Ästhetik keinen Sinn mehr ergeben, und der Mensch
gezwungen ist, sich mit den inneren
Werten auseinanderzusetzen.
Eine ähnliche
Rauminstallation entstand für eine
Ausstellung im Landkreis Fürstenfeldbruck. Eine religiöse, philosophische
Auseinandersetzung mit dem Tod unter dem Titel „Tod,
Todesengel, Jenseitsfahrt". Die
Beschäftigung mit dem Tod war für die Künstlerin Aufwühlung und
Beruhigung zugleich, den Tod als Teil des Lebens akzeptieren zu lernen, ihn
„selbst-verständlich" zu machen.
Dieses Prinzip liegt allen
Werken der Künstlerin zugrunde. „Denn Kunst darf nicht künstlich' sein, sie muss
natürlich, leicht und klar wie Wasser sein, so elementar, so selbstverständlich,
so beweglich wie Wasser sein."
|
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Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 97 FFB
Kultur
Mittwoch 28. April 1993
Ausstellung Amper-e
EIN
HIGHLIGHT der Brucker Ausstellung Amper-e: Der
„Energieraum“ von Ingrid
Redlich-Pfund . Die Ausstellung war
in den Innenräumen von Kloster Fürstenfeld geöffnet.
Photo Ortwin Scheider
Die Künstlerin sagt:
In meiner Arbeit "Energieraum" geht es um das
Erspüren von Frequenzen der Wahrnehmung, auf denen innerhalb einer ordnenden
Rhythmik und gegensätzlicher Spannungen der Energiestrom fließt. Die sechs
Stelen, in sich selbst ruhend jedoch beweglich, bilden jede für sich eine
dynamische Einheit und stehen sowohl untereinander in Beziehung, als auch in
ihrer Gesamtheit zum Ganzen des Raumes. Dieser hat die Form einer Wabe, deren
sechste Seite geöffnet ist und bildet einen Resonanzraum für die Stelen und ihre
beweglichen Elemente.
Ziel meiner Arbeit ist es, kosmische Energien
hereinzulassen, eine positive Aufladung von Bewusstseinsströmen und eine
Ausdehnung nach innen zuzulassen.
Eine Loslösung von Zwängen und Rollen, eine
Auflösung von Raum und Zeit ist das Ziel und kann als Gegensteuerung zur
Überfrachtung mit negativem Gedankengut durch die potenzierende Wirkung der
Massenmedien verstanden werden. Jeder einzelne von uns ist in der Steuerung
seiner Energien frei
.
|
Samstag/Sonntag, 8./9. Mai 1993 FFB
Kultur

SEIT DONNERSTAG IN BETRIEB:
Die Radierpresse in „Haus 10", von links der Kulturreferent
Wollenberg, Ingrid Redlich-Pfund sowie Petra Bergner.
Photo Ortwin Scheider
Neuer Baustein für ein Kulturzentrum
Radierpresse in „Haus 10" in Betrieb
genommen / Hoffnung auf Bildhauerwerkstatt
Seit letzten Donnerstag können sich die Künstler
aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck und der Umgebung glücklich schätzen: In der
Kulturwerkstatt „Haus 10" wurde die Druckwerkstatt eröffnet, in der die
Künstler an Radierungen arbeiten können. Hierfür steht bereits eine
Druckpresse zur Verfügung.
Die Eichenauer Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund,
die die Druckwerkstatt in „Haus 10" (Kloster Fürstenfeld) von nun an betreut,
wies darauf hin, dass noch eine zweite, größere Druckpresse in den nächsten
Wochen aufgestellt werde. Für die technische Einrichtung der Druckwerkstatt
bewilligte das bayerische Kultusministerium im Rahmen eines Programms zur
Förderung von Künstlerwerkstätten 50 000 Mark.
Mit diesen finanziellen Mitteln konnten die
beiden Druckpressen und sonstige Kleingeräte angeschafft werden. Jetzt
fehlen noch
zwei Papierschränke (DIN A0), Kleinmöbel und ein
hochwertiger Staubsauger. Die Künstler hoffen, dass sich entweder Sponsoren
oder Privatleute finden, die aushelfen können. Auch gebrauchte Möbel sind
willkommen.
Wie man eine Radierplatte herstellt und wie man
mit einer Radierpresse umgeht, zeigte die
Fürstenfeldbrucker Künstlerin Petra Bergner anlässlich der Eröffnung
der Werkstatt. In Zukunft können allerdings nur diejenigen Künstler in der
Druckwerkstatt arbeiten, die mit der Technik bereits vertraut sind.
Wenn die neue Werkstatt voll funktionsfähig ist,
sind auch Seminare geplant, in denen man die Radiertechnik erlernen kann. Die
Werkstatt steht den Künstlern aus der ganzen Region zur Verfügung, wozu
beispielsweise auch Dachau, Landsberg und Weilheim gehören.
Neben den Geldern für die Druckwerkstatt stellte
das Kultusministerium weitere Mittel in Höhe von 50 000 Mark für die
Einrichtung einer Werkstatt für plastisches Gestalten zur Verfügung. In diesem
Zusammenhang hat die Künstlerschaft des Landkreises die Ankündigung der
Bürgermeisterin Eva-Maria Schumacher und des Kulturreferenten Klaus
Wollenberg mit Freude aufgenommen, dass „Haus 11"
und „Haus 12" auf dem Areal von Kloster Fürstenfeld saniert werden
sollen. Denn Teile des Erdgeschosses bieten sich geradezu an, um hier eine
Werkstatt für plastisches Gestalten einzurichten.
Vor diesem Hintergrund hoffen die Künstler, dass
ihnen hier Raum zur Verfügung gestellt wird. Damit wäre ein spannungsvoller
und dialogfördernder Austausch zwischen den Künsten und den Künstlern auch
während der Arbeit gewährleistet.
Christine Hamel
|
.
FEUILLETON
Süddeutsche Zeitung Nr. 11 / Seite III 15. Januar
1992

DAS ZEICHENSYSTEM SPRACHE in Frage stellen:
Ingrid Redlich-Pfund (rechts) tut dies im „Haus
10" mit ihren Lettern-Bildern
Photo: Ortwin Scheider
Sprache als Irrweg
Ingrid Redlich-Pfunds Lettern-Kunst im „Haus 10“
„Ellschaft" liest der
Betrachter erlöst, weil er doch noch etwas in Ingrid Redlich-Pfunds
Lettern-Kunst findet, das nach traditionellen Zuordnungsregeln funktioniert:
Denkt man sich ein „Ges-" davor, hat man halt die Beziehung zwischen
Bezeichnendem und Bezeichnetem wiederhergestellt. Doch weiter sucht der
Betrachter vergebens nach sinngebenden Buchstabenbeziehungen. Die Lettern-Bilder
Ingrid Redlich-Pfunds, die die Eichenauer Künstlerin zusammen mit sieben Stelen
in der Kulturwerkstatt des Hauses 10 im Kloster ausgestellt hat, demonstrieren
vielmehr parzellisierte,
partikularisierte und zerstreute Sprache, in der es keinen Anfang gibt
und kein Ende, keine Buchstabenreihe, die nicht umgekehrt werden könnte, keine
Hierarchien. säumten Gewebe von Sprachfragmenten gegenüber, durch die er sich
seinen eigenen Irrpfad schlagen muss. Dass er
darüber hinaus auch an den beweglichen oberen Teilen der Stelen drehen kann,
gehört zur Konzeption des Raumes, in dem jeder, dem
Beuysschen Diktum entsprechend, zum Künstler wird. Beobachtetes wird hier
zum Konstrukt des Beobachters.
Bei dem Werkstattgespräch, zu dem Ingrid
Redlich-Pfund eingeladen hatte, verweist die Künstlerin immer wieder auf die
Referenzliste ihrer Kunst, die auf James Joyce und seine Erzähltechnik der
unvermittelten und assoziativen Folge von Bildern und Gedanken zurückgeht.
Ingrid Redlich-Pfund hat sich mit ihrer Kunst ganz diesem Bewusstseinsstrom
verordnet, der Unvereinbares zusammenkomponiert, Zusammengehöriges trennt und
das zeitliche Nacheinander in ein räumliches Nebeneinander auflöst.
Der Raum, den Redlich-Pfund
im „Haus 10" gestaltet hat, baut einen Pendelgang zwischen Verweisen und
Entsagen auf und trifft den Betrachter mit dieser antagonistischen Spannung.
Diese wird auch von dem Schwarz der Stelen und dem monochromen Ton des
Büttenpapiers getragen, das vor weißen Wänden hängt. Durch den Verzicht auf
Farbigkeit konzentriert sich der Raum auf das Wesentliche: einen Sturz ins
Leere, in dem die Zeichen ihre Referenten verlieren. Die Lettern-Bilder stellen
radikal das Zeichensystem in Frage, nach dem wir leben: die Sprache: Sie
spiegeln wie selbstverständlich das, was im Poststrukturalismus von Roland
Barthes in die Formel gefasst ist: „Wenn wir unsere Gesellschaft in Frage
stellen wollen, ohne zugleich die Grenzen der Sprache zu bedenken, mittels deren
wir sie in Frage zu stellen vorgeben: Das ist so, als wolle man den Wolf
vernichten und machte es sich in seinem Rachen bequem." So stellt sich in
Redlich-Pfunds Raum neben aller eigener und persönlicher Erfahrung, ob gewollt
oder ungewollt, auch ein Bezug zur „Ellschaft" her.
Christine Hamel
|
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Fürstenfeldbrucker Tagblatt, Mittwoch 15. Januar 1992
FFB6
Kunst
als greifbares Erlebnis
Werkstattgespräch mit der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund in Haus 10
Fürstenfeldbruck
- „Ich möchte meine Kunst unter Menschen
bringen, meine Werke präsentieren und Kunst meinem Publikum bewusst machen."
Am vergangenen Sonntag öffnete Ingrid Redlich-Pfund, Trägerin des
Fürstenfeldbrucker Kunstpreises 1989, die Türen
von Haus 10 im Klosterareal, um Kunstinteressierten in einem Werkstattgespräch
Auskunft über ihre neuesten Arbeiten zu erteilen.
Der Blick fällt auf das Bilder- und
Skulpturen-Szenario: Sieben schwarze, rechteckige, schmale Holzstelen und drei
Bilder aus naturweißem Büttenpapier mit graphisch streng angeordneten
Buchstabenreliefs- sonst nichts. Man kann den Kunstraum betreten, die Stelen
berühren, sich ganz dem Rätsel der erhabenen, farbenlosen Buchstabenreihen
hingeben, die scheinbar weder Wort, noch Satz, noch Sinn ergeben wollen. Und
dennoch ahnt der Betrachter, dass sich dahinter eine Botschaft verbirgt, die
man durch eine besondere Lesart entschlüsseln kann.
Ingrid Redlich-Pfund hilft und liest den Text
Zeile für Zeile, von links nach rechts, von rechts nach links in einer
fließenden Bewegung: „Desensibilisierung für die Schattenseiten einer
ästhetisch narkotisierten Gesellschaft." Des Rätsels Lösung gibt neue Rätsel
auf. Die Eichenauer Künstlerin, die ursprünglich im Graphikdesign tätig war,
entpuppt sich mit diesem Satz als Kritikerin unserer Zeit. „Ästhetik als
Rauschmittel", so Redlich-Pfund weiter, „bedeutet die Zersetzung der
Gesellschaft." Ihrer Meinung nach orientiert sich der konsumverwöhnte Mensch
der westlichen Welt in seinem Denken und Handeln vor allem an äußerlichen
Formen, an der Verwirklichung einer perfekten Ästhetik. Deshalb verliert er
die Achtung vor den kleinen Dingen des alltäglichen Lebens, den Blick für das
Wesentliche, für die inneren Werte.
Die Künstlerin entwickelt ihre
„Kunstphilosophie" aus ihren eigenen Lebenserfahrungen heraus. „Die Welt, in
der ich lebe und das Bild, das ich mir von ihr mache, ergeben ein Ganzes, das
sich jedoch in getrennt existierenden Bruchstücken und Teilen in meiner
Erfahrung niederschlägt. Ich sehe die Welt als allumfassendes Fließen von
Ereignissen und Strukturen in Bewegung."
In ihrem Werk widmet sich Ingrid Redlich-Pfund
der Darstellung dieser fließenden Bewegungen. Indem der Betrachter der
Buchstabenreliefs den abgebildeten Satz in Schlangenlinien lesen muss, wird er
mit der Idee als „allumfassenden Fließens" zum erstmal konfrontiert. Streicht
er mit seinen Händen schließlich über die glatte Oberfläche der Holzstelen,
lösen sich deren Spitzen in bewegliche Einzelkörper auf, die sich unabhängig
voneinander um die Achse der unteren, starren Skulpturenteile drehen können.
Alles ist Bewegung.
Kunst wird hier sprichwörtlich zum
be- greifbaren Erlebnis. Die Künstlerin hat es bei
dem Gespräch verstanden, den Betrachter selbst zu einem Teil ihrer Kunst
werden zu lassen und diese lebendig, erfahrbar in das tägliche Dasein zu
integrieren.
Andrea Dederra

Mit
der Darstellung von Bewegung setzt sich die Eichenauer Künstlerin Ingrid
Redlich-Pfund in ihrem neuesten Werk in der Kulturwerkstatt Haus 10
auseinander.
Foto: Hartmann
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SZ Donnerstag 10. Mai 1990, FFB Feuilleton
Bewegungen und Momentaufnahmen
Kunstpreisträgerin Ingrid Redlich-Pfund zeigt
ihre neuen Werke in München
Fließendes Wasser ist mein eigentliches
künstlerisches Vorbild, sagt die Graphikerin Ingrid Redlich-Pfund. Wasser ist
elementar und selbstverständlich, so sollte auch Kunst sein. Es geht der
Eichenauer Zeichnerin um die Darstellung von Bewegung, und das kühle Nass
erscheint ihr als das Medium mit den größten Interpretationsmöglichkeiten.
Wellen und Strudel, Gischtspritzer oder Rinnsale sind Teile eines
ganzheitlichen Bewegungsablaufs und dienen der Künstlerin als Ausgangspunkt
zum kreativen Schaffen. Aber nicht das naturalistische Abbild ist gesucht, in
vielen Abstraktionsprozessen wird die Essenz der Bewegung herausgefiltert So
geraten Strudel zu Kreisen, Wassertropfen zu Punkten und Wellen zu
geschwungenen Linien.
Ingrid Redlich-Pfunds momentaner Schwerpunkt
liegt in den „Manuellen Blinddrucken". Diese Methode hat die Künstlerin aus
der Technik der Kaltnadelradierung weiterentwickelt. Sie hat hierbei die
Kaltnadel durch das Falzbein und die Metallplatte durch Papier ersetzt. Das
Büttenpapier , wird gewässert und anschließend,
seitenverkehrt zur Skizzenvorlage, auf der Rückseite mit dem Falzbein
bearbeitet. So entsteht durch den Druck des Zeicheninstruments auf der
Vorderseite automatisch eine reliefartige Struktur. In diesen Blättern
verzichtet die Graphikerin auf jegliche Farbe. Sie sieht das Weiß des Papiers
als Symbol der Reinheit und des Geistes. Der monochrome Ton des Büttenpapiers
verstärkt dabei die künstlerische Aussage der Blindprägung und konzentriert
das Sujet auf das Wesentliche.
Im letzten Oktober wurde Ingrid Redlich-Pfund mit dem
Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck 1989 ausgezeichnet Eine Fachjury
wählte ihre Farbradierung ,Boccia" in der Sparte Graphik zur besten Arbeit
„Boccia" ist noch eines der früheren gegenständlichen Bilder der Künstlerin.
In diesem Blatt thematisiert die Zeichnerin den Symbolgehalt der Kugel'. Als
Alternative zu Massenkonsum und Kommunikationsarmut unserer heutigen Zeit kann
das Bocciaspiel jedoch auch betrachtet werden. Die Gemeinde Eichenau kaufte
das preisgekrönte Werk und machte es der italienischen Partnerstadt
Budrio (Emilia Romagna) bei einem Besuch zum
Gastgeschenk. Nun ziert die prämiierte Malerradierung die Wände der Pinakothek
in Eichenaus südlicher Partnergemeinde.
Wer nicht extra nach Italien will, kann es auch
näher haben. Das Kunstforum im Arabellapark München zeigt noch bis zum 31. Mai
(Montag bis Freitag 10 bis 19 Uhr) einen Querschnitt von Arbeiten der letzten
Jahre. Unter dem Motto „Wellen-Wirbel-Ströme" präsentiert Ingrid Redlich-Pfund
neben manuellen Blinddrucken noch Farbradierungen, Bleistiftzeichnungen und
Siebdrucke in den Räumen am Rosenkavalierplatz. Die Verkaufsausstellung
gestaltet sich über zwei Etagen. Im Erdgeschoß hängen die meisten abstrakten
Blinddrucke, und im ersten Stock sind Siebdrucke und Radierungen der
Jahre.1986 bis 1987 zu besichtigen.
Nicht nur abstrakte wie kalligraphische
Zeichenkürzel sind bei den Blinddrucken auszumachen, einige der ausgestellten
Exponate lassen die Arabesken von verschachtelten Frauenkörpern erkennen. Hier
verdichten sich die Linien und lösen sich wieder auf, Körperüberschneidungen
stehen als Kontrapunkt zur freien Fläche. Die Relieflinien bündeln die
ornamental wirkenden Gestaltsfragmente zu einer
formal konzipierten Einheit Je reduzierter die Mittel, desto ausdrucksstärker
geraten die Kompositionen der Eichenauer Künstlerin.__
Etwas versteckt gehängt vier kleinformatige
Bleistiftzeichnungen, die wie Vorskizzen zum Bewegungssujet anmuten. Diese
interessante Ergänzung komplettiert und verdeutlicht das kreative Moment
Erwähnenswert in der Exposition auch die farbigen Malerradierungen „Klang I,
II, III". Zarte Töne (grün, gelb, rosa) kontrastieren mit dunklen
Pinselgesten. Drei abstrakte Werke, deren zeichnerischer Ursprung, die
Abbildung des Weihnachtsoratoriums, nur noch anhand einer Erklärung der
Künstlerin, nachvollziehbar ist Dann aber tauchen Geigen und Posaunen vor dem
Betrachterauge auf.
Ingrid Redlich-Pfund wurde 1947 in Gratwein bei
Graz geboren. Nach einem Architekturstudium in Innsbruck ging sie. für einige
Jahre ins Ausland. Italien, England und Spanien waren ihre Stationen. Während
dieser Zeit arbeitete sie als Dolmetscherin. In der Bundesrepublik begann sie
1976 mit Zeichen- und Malkursen an der Volkshochschule in Essen. Von 1983 bis
1988 studierte Ingrid Redlich-Pfund an der Folkwangschule
in Essen Malerei und Graphik. Über die Europäische Akademie in Trier belegte
sie Kurse bei den Professoren Gassmann (USA), Guiffret
(Frankreich) und Allen (England). Seit 1988 lebt die Graphikerin in Eichenau.
Durch die Verleihung des Kunstpreises wurde man im Fürstenfeldbrucker
Landkreis auf die Künstlerin aufmerksam, und sie wird sicher eine Bereicherung
für das Brucker Kulturleben bedeuten.
Stefan Wehmeier

INGRID REDLICH-PFUND, im
letzten Jahr mit dem Kunstpreis des Landkreises ausgezeichnet, stellt noch bis
zum 31. Mai ihre neuen Graphiken im Kunstforum des Arabella-Parks München aus.
Die Galerie ist von Montag bis einschließlich Freitag jeweils von 10 bis 19
Uhr geöffnet.
Photo: Scheider
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